Jubiläumstörn 2013 -2014,  SY HEIDE-WITZKA

„Uns geht es richtig schlecht….“

„Uns geht es richtig schlecht!“ sagte Dr. Rudi mir eben in unserem allabendlichen Telefonat. Und sofort ging meine Stimmung ebenso in den Keller.

Nach der Ursache des offensichtlichen Unwohlseins befragt, druckste er erst ein wenig herum, kam aber dann mit einer detaillierten Beschreibung der mannigfaltigen Ursachen seines Unwohlseins heraus. Nach ausführlicher Schilderung des Tagesablaufes, den ich im Auftrage von Dr. Rudi und seiner bedauernswerten Crew nachstehend zum Besten geben werde, habe ich nunmehr vollstes Verständnis dafür. Ich bin sicher, der geneigte Leser hat Phantasie genug, um nachzuvollziehen, welche Entbehrungen so ein Seglerleben mit sich bringt.

Am frühen Morgen, quasi mitten in der Nacht, gegen 09.00 Uhr durch die gleißende Sonne und den unerträglichen Lärm von plätschernden Wellen am Rumpf des Schiffes aus dem Schlaf gerissen, muss man sich als Besatzungmitglied der „HEIDE-WITZKA“ mit dem kargen Seemannsfrühstück, bestehend aus Kaffee, Rührei und Schinken, Käse und Marmelade hingeben. Nicht mal die Möglichkeit, sich standesgemäß zu kleiden hat man, weil weder Anzug noch Krawatte mit an Bord sind. Die lieb gewordene Konversation mit der Ehefrau wird einem genommen, stattdessen muss man sich mit unrasierten Seebären abgeben, die ebenfalls übergelaunt den gleichen Unbillen ausgesetzt sind.

Kaum in Ruhe den harten Tag mit einem Frühstück eingeleitet, quasi das letzte Mal Ruhe bevor der Stress losgeht, setzt dieser auch ungefragt und umgehend ein. Navigation liegt an, gepaart mit der permanent zu stellenden Frage „Wo bin ich“ und der darauf aufbauenden Fragestellung  „Wohin fahre ich jetzt“. Diese quasi omnipräsenten Fragen werden nur noch durch den ängstlichen Blick auf den Wetterschreiber überboten.

Nachdem nun diese Fragen demokratisch mit der Crew und unter Berücksichtigung der zu erwartenden harten Wetterbedingungen hinlänglich diskutiert worden ist, kommt umgehend die bange Frage auf: „Ist es schon 11.00 Uhr?“  (Anmerkung des Autors: Niemals Bier an Bord eines Segelbootes der SKB vor 11.00 Uhr)

Nun denn, nachdem die Fragestellung des Standortes (Antibes) und des Zieles (St. Tropez) nach harter Arbeit festgestellt bzw. festgelegt worden ist, gilt es nun, beides in einer möglichst geraden Linie unter Berücksichtigung der Mindestwassertiefe unter Vermeidung etwaiger Landkontakte in Einklang mit den herrschenden Windverhältnissen zu bringen. Diese stellen sich heute als ein beständiger Wind aus Ost mit einer Stärke von 4 Bf dar. Nach weiterer Diskussion und Lagebeurteilung kommt die Crew zu dem Schluß, dass aufgrund der weisen Entscheidung eben dieser, von Ost nach West Segeln zu wollen, sie es ausnahmsweise mit dem Setzen der Genua versuchen wollen, aber nur, wenn die tatsächlichen Gegenheiten mit der Vorhersage übereinstimmt.

Wir wollen es dem geneigten Leser an dieser Stelle nicht zumuten, weitere Einzelheiten des Törns von Antibes detailliert zu beschreiben. Zu hart sind die Entbehrungen, die die Männer auf sich nehmen müssen. Als Hinweis seien hier nur einige Eckdaten der Wetterlage preisgegeben: Lufttemperatur (unter dem Bimini): 30 Grad Celsius, Wassertemperatur ca. 24 Grad Celsius, tatsächlicher Wind 3,5 Bf aus Ost. (Gänsehaut macht sich breit, alleine beim Lesen).

Nach mehrstündigem Segeln am Rande des Zumutbaren gelangte die unerschrockene Crew in der Bucht von St. Tropez an und fand ein karges Plätzchen in einem der wahrlich schlecht ausgebauten Häfen.
Zum Zeitpunkt meines Anrufes saßen die Bedauernswerten in einem korsischen Lokal, stillten den Hunger mit totem Fisch aus dem Mittelmeer und mussten dazu vergorenen Traubensaft aus der südfranzösischen Region trinken.

Alles in allem: „Was ein Hundeleben…“